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HÜTER DER QUELLEN

Achtung Schatzsucher und Liebhaber von Druckerzeugnissen jenseits der aktuellen Bestseller! Auf euch warten im 17 Quadratmeter großen Antiquariat von Christoph Hoffmeister knapp 1.000 Bücher – und im Lager noch einmal rund 60.000! „Ich wollte schon immer einen Laden haben, in dem die Originalausgabe von 1560 einträchtig neben dem Trivialroman von 1920 steht. Angesichts der kleinen Ladenfläche bemühe ich mich, aus dem Maximum der potenziellen Interessengebiete immer etwas Interessantes vorzuhalten.“ Besonders ist auch der „Ladenhüter“ selbst: „Jeder, ganz egal, was er sucht, bekommt eine Ansprache“, betont der Buchliebhaber, der sich selbst als „Turbo-Schwätzer“ bezeichnet. In Wahrheit verfügt der gelernte Buchhändler über ein profundes Wissen, erworben u. a. durch seine Tätigkeit in einem der renommiertesten Buchauktionshäuser Deutschlands. Dazu kommt die glühende Leidenschaft eines Mannes, der liebt, was er tut. Das spüren auch seine Kunden.

Weil die weltberühmte Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel nur ein paar Häuser weiter liegt, schauen immer wieder Menschen aus aller Herren Länder vorbei. Dann überrascht Christoph Hoffmeister schon mal einen chinesischen Gelehrten mit einem illustrierten Erstlesebuch von 1958 aus dessen Heimatland. Er selbst schwärmt für besondere Zeitdokumente. Beispielsweise für ein Unterhaltungsblatt von 1900, in dem alleinerziehende Mütter für ein Preisausschreiben ihren Alltag beschrieben. Neben vielen Kostbarkeiten verfügt der Antiquar auch über besondere und sehr seltene Schätze, wie z. B. eine kleine Sammlung von Psalmen eines Theologen (1560), der gleichzeitig auch schlüpfrige Gedichte verfasste; oder eine Inkunabel von Augustinus (1490). Um Bedeutung oder Wert bestimmen zu können, ist oft intensivste Detektivarbeit gefragt. Auch dafür brennt der Antiquar, der gern Gutsherren- und Militärromane um 1900 „wegschlabbert“ und sich aktuell mit der Geschichte des Pop beschäftigt.

„Mein Antiquariat lebt davon, dass ich Bücher oder ganze Bibliotheken ankaufe. Der Verkauf im Ladengeschäft gestaltet sich allerdings durch die zunehmende Dominanz des Internets immer schwieriger. Zum einen steigt das Angebot im Netz exponentiell, zum anderen gehören mittlerweile die bekanntesten antiquarischen Handelsplattformen Amazon, das uns Händler damit quasi zu seinen Angestellten degradiert.“ Gut, dass der Antiquar, der überzeugter Ladenbetreiber ist, so lange durchhalten will, wie er kann. Und dass er weiterhin seinem Anspruch folgt, untergegangene Schätze für die Nachwelt zu hüten. „Ich verstehe mich als Hüter unzensierter Quellen und möchte dazu beitragen, dass Menschen sich damit auseinandersetzen können. Mein Appell: Lasst euch nicht von jeder schick aufgemotzten Neuheit ins Bockshorn jagen. Schaut euch auch das an, was die Leute schon vor euch gesagt haben!“

// Antiquariat C. Hoffmeister, Kornmarkt 1-2, Wolfenbüttel //

- weltraum, Dezember 2020, Foto: Janina Snatzke

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