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DIE STERNE UND WIR

Sobald es Nacht wird, kommt ihr großer Auftritt. Wer dann nach oben schaut, kann bei guter Sicht mit bloßem Auge 2.000 von ihnen sehen. In Wahrheit sind es aber Trilliarden. Sterne sind die elementaren Bausteine des sichtbaren Universums. Diese Zeugen der Unendlichkeit da oben, sie üben eine unglaubliche Faszination auf uns hier unten aus. Schon immer hat die Menschheit himmelwärts geschaut. Wohl auch, um Ordnung und Bedeutung zu finden. So benutzten Jahrtausende vor Christus bereits die Ägypter exakte Mondkalender. Heute gehen Experten sogar davon aus, dass steinzeitliche Felszeichnungen Abbilder einer Supernova sein könnten. Und schon früh brachten die Sterne die Menschen weiter. Sie halfen beim Navigieren über das Meer oder bei der Entscheidung, wann die Saat auszubringen ist. So kündigte im Pharaonen-Reich der Aufgang des Sirius über dem Horizont die kommende Nilflut an. Der Sternenhimmel wurde zur ersten Uhr und zum kosmischen Kalender der Menschheit. Er ordnet unser Leben bis heute. Wie wir die Welt verstehen, auch darauf haben die Sterne Einfluss. Und die, die sie beobachten. Dazu zählen vor allem Astronomen, die den Sternenhimmel unter naturwissenschaftlichen Gesetzen betrachten.

So trugen dann auch ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse dazu bei, dass wir heute nicht nur die Sphären über uns, sondern gleichsam unsere Welt besser verstehen. „Die moderne Wissenschaft hat den Sternenhimmel ‚entmystifiziert‘ und unseren Platz am Himmel ins rechte Licht gerückt“, sagt Dr. Julia Lanz-Kröchert vom Planetarium Wolfsburg. „Heute weiß jedes Kind, dass die Erde rund ist um die Sonne kreist, und fast jeder kennt den Unterschied zwischen einem Stern und einem Planeten. Wir wissen, warum sich manchmal der Mond oder die Sonne verdunkeln und dass ein Komet am Himmel kein Unheil voraussagt. Man könnte also sagen, dass die auf Unkenntnis basierende ‚Furcht‘, beim Betrachten des Himmels früher, sich heute gewandelt hat in eine – wie ich finde – noch größere ‚Ehrfurcht‘.“ Was wissen Astronomen über den direkten Einfluss der Sterne auf uns? „Der einzige Stern, der für uns Menschen und die Erde von existenzieller Bedeutung ist, ist die Sonne, weil ohne sie bei uns kein Leben möglich wäre“, so Julia Lanz-Kröchert.

Bei genauerer Betrachtung haben aber auch weiter entfernte Sterne das Potenzial, das Leben auf der Erde zu beeinflussen. „So könnte etwa die Explosion eines nahe gelegenen Sterns, einer Supernova, Auswirkungen auf das Leben auf unserem Planeten haben. Gelegentlich werden entsprechende Szenarien als Ursache verschiedener Massensterben im Verlauf der Erdgeschichte diskutiert, ohne bisher eindeutig belegt worden zu sein.“ Eines ist dagegen sicher: Der Sternenhimmel ähnelt einer Zeitmaschine. Denn das bei uns ankommende Licht zeigt ein astronomisches Objekt so, wie es einst ausgesehen hat. Und je tiefer wir in den Sternenhimmel hineinblicken, desto weiter geht es in die Vergangenheit zurück. Wer also den Andromedanebel (M 31) beobachtet, sieht das Himmelsgebilde so, wie es vor zweieinhalb Millionen Jahren ausgesehen hat. Gleichzeitig können die Astronomen aber auch berechnen, wie in 400.000 Jahren die Bahnen von Sternen verlaufen werden.

Ungebrochen bleibt die enge Verbindung zwischen den Sternen, ihrer Heimat und uns Lebewesen. Das tiefe Gefühl, geheimnisvoller Teil eines höheren Ganzen zu sein, das kennen nicht nur religiöse Menschen. „Vielen Menschen ist gar nicht bewusst, wie ‚astronomisch unwahrscheinlich‘ ihre Existenz ist!“, sagt Julia Lanz-Kröchert. „Von der Entstehung unseres Sonnensystems aus einer Wolke aus Gas und Staub bis hin zum Homo sapiens ist der Weg gepflastert mit Zufällen, die mir immer wieder deutlich machen, wie einzigartig unser wunderschöner Blauer Planet eigentlich ist!“ Ja, dem Kosmos verdanken wir unsere Existenz. Was aber könnten wir aus dem Bewusstsein unseres rätselhaften kosmischen Daseins lernen? Mehr Demut, Verantwortung, Liebe? Was auch immer wir tun, die Verbindung zwischen uns allen hier unten und den Lichtgestalten da oben ist so klar wie ein heller Sternenhimmel. Schließlich sind wir aus den gleichen Elementen gemacht wie die Sterne. Wir sind eins.

- März 2021, weltraum, Grafik: unsplash.com

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