TYPISCH MANN, TYPISCH FRAU

Eine Frau sortiert Wäsche. Da meldet sich ihr „schlechtes Gewissen“: „Die ganze Wäsche könnte auch weißer sein.“ Nachdem die besorgte Hausfrau ein bestimmtes Waschmittel ausprobiert, lobt sie eine Männerstimme: „Jetzt hat sie ein gutes Gewissen“ – und ihr „Gewissen“ ergänzt: „Jetzt haben dich alle so lieb.“ Dieser Dialog stammt aus einem TV-Werbeclip um 1970. Und wie sah damals das Männerbild in der Werbung aus? Mann trinkt Schnaps, treibt Sport oder kommt abends erschöpft von der Arbeit nach Hause, wo ihn die treusorgende Ehefrau voller Hingabe erwartet. Sind Rollenklischees wie diese inzwischen Schnee von gestern und was ist eigentlich typisch für ein Geschlecht?

In einer Studie der Psychologen Petri Kajonius und John Johnson wurden typisch männliche bzw. weibliche Eigenschaften untersucht. Bei Frauen waren Selbstlosigkeit, Mitgefühl, Ängstlichkeit und Verletzlichkeit stärker ausgeprägt als bei Männern. Die wiederum scheinen eher nach aufregenden Erfahrungen und intellektueller Stimulation zu suchen. Frauen beschrieben sich dagegen als liberaler und kulturell interessierter. Klingt schon wieder nach Klischee, oder? Woher also kommen die beobachteten Unterschiede überhaupt? Die Forscher gehen davon aus, dass die Evolution, Biologie und kulturelle Einflüsse eine Rolle spielen. Denkbar sei zudem, dass Männer bestimmte Merkmale als weiblich ansehen, diese sich selbst oder anderen gegenüber nicht eingestehen wollten und sich tatsächlich entsprechend den typischen Männerbildern entwickelten.

Inzwischen haben vor allem Emanzipationsbewegungen das Rollenverständnis der Geschlechter erweitert. Dabei gelingt es Frauen offensichtlich besser, traditionelle und moderne Identitäten zu verschmelzen. Allerdings bleibt ihnen häufig auch gar nichts anderes übrig, wenn sie Familie und Beruf unter einen Hut bringen wollen. Durch die neuen Frauenrollen ist auch das Selbstverständnis des Mannes ins Wanken geraten. Wo Orientierung an gelernten Mustern verloren geht, entstehen neue Konflikte zwischen den Geschlechtern. Gleichzeitig besteht aber auch die Chance, sich gemeinsam weiterzuentwickeln und sich auf Augenhöhe zu begegnen. Davon aber ist die Welt heute noch weit entfernt, belegt die Studie „Equal Measures 2030“. Nach der leben 80 Prozent aller Frauen und Mädchen in Ländern, wo es um ihre Lebensbedingungen und die Geschlechtergerechtigkeit schlecht bis sehr schlecht bestellt ist.

Auch in Deutschland ist die im Grundgesetz verankerte Gleichberechtigung noch lange nicht erreicht: Frauen übernehmen zwei Drittel aller unbezahlten Arbeiten in Haus und Familie, arbeiten öfter Teilzeit sowie in schlechter bezahlten Jobs als Männer. Und sie sind häufiger von Altersarmut betroffen. Auf der anderen Seite gibt es auch Lichtblicke. Die Bandbreite reicht von selbstbestimmten Frauen bis zu Männern, die Elternzeit in Anspruch nehmen. Gleichzeitig entwickelte sich in den letzten Jahren ein größeres Verständnis dafür, dass das Geschlecht weniger männlich oder weiblich, sondern eher sozial geprägt sei (gender). Männliche und weibliche Rollenbilder verschwimmen. Und das nicht nur, wenn es um Homosexualität oder das sogenannte dritte Geschlecht geht – also um Menschen, deren Körper weibliche und männliche Merkmale aufweisen.

Selbst in der Werbung sieht man heute auch Frauen mit Motorsägen und Männer, die mit Schnupfen im Bett liegend nach ihrer Mami wimmern. Allerdings bedient die Werbung, die ja auf Klischees setzt, viel häufiger immer noch die klassischen Rollenbilder. Das ist in den neuen Medien übrigens nicht anders, belegt die „MaLisa-Studie 2019“: In fast 70 Prozent der untersuchten YouTube- Kanäle waren Männer die Hauptakteure. Frauen sind fast ausschließlich für Beratung, Schönheit, Mode, Ernährung, Haushalt und Beziehungen zuständig, während Männer scheinbar alles können. Es wird also langsam Zeit, dass es bald nicht mehr nur um Geschlechter geht, sondern um individuelle Persönlichkeiten. Also einfach um Menschen.

- Dezember 2019, weltraum, Grafik/Layout: Kerstin Krempel

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