Thomas Beyer > Experte für Kommunikation

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MUSIK IST …

Tief in uns allen entspringt die Quelle der Musik. Von der Atmung bis zum Stoffwechsel: Alles folgt einem Rhythmus. Und spätestens, wenn unser Körpersystem aus dem Takt gerät, wird uns bewusst: Wir sind Rhythmuswesen! Jeder Mensch reagiert auf Musik. Sie verändert unseren Herzschlag, den Blutdruck, die Atemfrequenz und die Muskelspannung. Sie beeinflusst den Hormonhaushalt und wirkt auf Organe. Musik löst Emotionen aus und verursacht Gänsehaut. „Das ist ein in der Entwicklungsgeschichte des Menschen und der Säugetiere herausgebildeter Reflex“, erklärt Neurophysiologe Eckart Altenmüller. „Er hängt ursprünglich mit der Wärmeregulation zusammen. Der Mensch will so innere Wärme herstellen, Nähe und Verbundenheit mit anderen programmieren.“

Damit wir überhaupt Gänsehaut bekommen, muss Musik, die wir zum ersten Mal hören, uns berühren, etwas Neues bieten. Sie kann aber auch durch vertraute Klänge verursacht werden, durch eine bestimmte Umgebung, aufgrund von persönlichen Ereignissen, Erinnerungen oder Erwartungen. Meistens soll uns Musik in eine bestimmte Stimmung versetzen oder eine vorhandene Stimmung untermalen. Die Bandbreite dabei ist immens: Sie reicht von Kuschelballaden, Volksmusik und Folklore über Techno, Rock, Rap, Funk bis zu Klassik, Einschlafliedern, Fangesängen, Meditations- und Trauermusik.

Wie stark wir auf bestimmte Musik reagieren, hängt nicht zuletzt von unseren persönlichen musikalischen Erfahrungen und Vorlieben ab. Neuroforscher Petr Janata sagt: „Jeder Mensch hat mehr oder weniger gute Antennen dafür. Je klarer wir einen Rhythmus heraushören und je besser dieser typische Tanzbewegungen unterstützt, desto eher animiert es dazu, uns dazu zu bewegen, und desto leichter fallen uns diese Bewegungen.“ Wir reagieren auf Variationen in Rhythmik und Lautstärke, auf Spannung und Entspannung. Und das passende Tempo. Die meisten Menschen bringt eine Folge von rund 120 Schlägen pro Minute auf Touren. Das entspricht ungefähr unserer normalen Schrittzahl, wenn wir gehen.

Wenn wir mit der Musik verschmelzen, dann sind wir im „Groove“. Und diese Synchronisation verstärkt auch das gemeinsame Erleben. Es ist dieser Rhythmus, wo jeder mit muss. Das gilt für Partnerwerbung wie für Gruppenaktivitäten. Diese Erfahrung helfe enorm, soziale Bindungen aufzubauen und zu festigen, sagt Petr Janata. „Leute sind eher bereit miteinander zu kooperieren, wenn sie vorher im Gleichklang waren“, betont der Experte. Das Groove-Gefühl sei eine Belohnung für evolutionär sinnvolles Verhalten und gehöre mit zu unserer genetischen Ausstattung. „Im Groove fühlen wir uns total miteinander verbunden und erreichen eine neue Ebene im Kontakt mit anderen Menschen.“

Musik kann also fast alles: das Gedächtnis schulen, bei der sozialen Entwicklung von Kindern helfen, Schmerzen lindern, Erinnerungen wachrufen, psychische Barrieren überwinden und grenzüberschreitende Kommunikation ermöglichen. Längst nutzen Mediziner und Therapeuten die Resonanz, die Musik und Bewegung im Menschen erzeugen, zur Behandlung von Schmerzen und Erkrankungen. Man kann es sehen, wie der Neurophysiologe Eckart Altenmüller: „Musik ist eine der großen Möglichkeiten, Bindungen und Verbindungen mit Menschen herzustellen.“ Oder man sieht es wie der Dirigent Ivan Repušic´: Musik ist etwas, „was man nicht beschreiben kann, was man nur fühlt.“

Juni 2020, weltraum, Foto: Janina Snatzke, Grafik: Kerstin Krempel

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