Thomas Beyer > Experte für Kommunikation

View Original

DIE KUNST DER BERÜHRUNG

Christina John ist eine erfahrene Shiatsu-Praktikerin (Mitglied im GSD: Gesellschaft für Shiatsu in Deutschland) mit zahlreichen Zusatzausbildungen und Schwerpunkten. Auch Kinder und Schwangere sowie ganze Gruppen gehören zum Klientel der examinierten Krankenschwester. Kontakt: christina.john@wolfsburg.de

Was ist Shiatsu?

Christina John: Eine wunderbare Art, Körperbewusstsein zu entwickeln. Wörtlich übersetzt bedeutet „Shi“ Finger und „Atsu“ Druck. Es ist eine japanische Druckpunkt-Massage ent­lang der Meridiane, Energiebahnen und Akupunktur-Linien. Shiatsu bedient sich meistens dem erweiterten Meridian­systems des japanischen Psychologen, Hochschullehrers und Shiatsu-Therapeuten Masunaga Shizuto. Unter Einsatz von Daumen, Handballen, Ellenbogen und Knien (zum Teil auch mit Füßen) wird in Verbindung mit Deh­nung und Bewegung achtsamer Druck ausgeübt. Shiatsu berücksichtigt die TCM (Traditionelle chinesische Medizin), die Theorie von Yin und Yang, die Wandlungsphasen der fünf Elemente und die japanischen Kyo/Jitsu (Leise und Fülle).

Man kann es wie eine Art Aufräumen beschreiben. Überfülltes wird verteilt und somit die Leere aufgefüllt. So entsteht ein Gleichgewicht. Behandelt wird prinzipiell am bekleideten Körper, auf einer am Boden lie­genden Matte oder auf einem Futon.

 Was begeistert Dich an Shiatsu?

Da gibt es eine ganze Menge: Die Ruhe der Behandlung, die Zeit, die ich mir für einen anderen Menschen nehmen kann, die vielen Möglichkeiten der Behandlung, die unterschiedlichen Ener­giebilder jeder Person, die Möglichkeit, Körperbewusstsein zu vermitteln, die Resultate und auch die Gespräche.

Welche Rolle spielen dabei Berührungen und was sind das für Berührungen?

Ich beginne mit der Kontaktaufnahme am Hara (Bauch). In diesem Bereich lege ich meine Hände auf und spüre die Energiezone. Danach richtet sich die weitere Be­handlung: ob tiefer lang anhaltender Druck oder mehr Bewe­gung und sanfter Druck, ob Handballen oder Ellenbogen zum Einsatz kommen. Im Shiatsu arbeiten wir immer mit beiden Händen. Die sogenannte „Mutterhand“ vermittelt Ruhe und Ver­trauen, die andere Hand, die „Kindhand“, übt achtsam Druck aus.

Was lösen die Berührungen bei Dir aus und wie reagieren die Menschen, die du behandelst, darauf?

Je nachdem, was ich fühle und was mir mein Klient zeigt, entsteht in meinem Kopf ein Behandlungsplan wie auf einer Landkarte. Ich begin­ne am Hara und arbeite von innen nach außen. Während der Behandlung bin ich auf meine Hände konzentriert und spüre mit ihnen. Manchmal frage ich auch nach, wenn sich etwas nicht eindeutig spüren lässt. Die meis­ten Menschen sind neugierig und interessiert: Wie fühlt es sich an? Was passiert? Jeder reagiert unterschiedlich, in der Regel sehr positiv. Ein gewisser Druck, Dehnung und auch Bewe­gung wird oft von meinen Klienten als befreiend wahrge­nommen.

Kann man auf bestimmte Menschen und Lebensphasen besonders eingehen?

Shiatsu ist von der ersten Lebenspha­se an möglich – eine schöne Art, im Leben willkommen geheißen zu werden. Babys lernen sich zu spüren, und sie werden in ihrer körperlichen und emotionalen Entwicklung unterstützt. Die Bindung zu den Eltern kann gestärkt wer­den, auch Väter können wunderbar mit einbezogen werden. In der Schwangerschaft ist Shiatsu eine schöne Einstim­mung auf die Veränderung, und Schwangere können ein Bewusstsein für entwickeln, was da in ihrem Körper passiert. Man kann auch bereits da mit dem Aufbau der emotionalen Bindung zum Baby beginnen. Zudem kann Shiatsu eine Er­leichterung beim Umgang der Schmerzen und bei größeren und kleineren Schwangerschaftsbeschwerden herbeiführen. Auch ältere Menschen genießen diese Berührungen sehr. Al­lerdings weiche ich hier schon mal auf die Liege aus, statt die Behandlung auf dem Boden durchzuführen. Auch in der palliativen Situation ist Shiatsu möglich und wird gut angenommen. Wobei dann eher mit sanftem Druck und Halten behandelt wird. Und bei besonders schwierigen Ausgangssituationen wie bei Traumata sollte ein erfah­rener Shiatsu­-Therapeut mit entsprechender Ausbildung behandeln.

Was könnte aus deiner Sicht jeder selbst zu einer besseren Balance beitragen?

Ich bin ein großer Fan von Bewegung, gerne an der frischen Luft. Im Sommer genieße ich es, schwimmen zu gehen und Fahrrad zu fahren. Yoga ist ebenfalls eine gute Möglichkeit, da Bewegung, Dehnung und Atmung ein gutes Bewusstsein und Körpergefühl schaffen. Es gibt spezielle Dehnübungen, in denen die Meridiane berücksichtigt werden und die bei regelmäßiger Anwendung gute Erfolge erzielen. Wichtig ist dabei auch ein realistischer Zeitplan. Dann kann man das eine oder das andere einfach streichen und stattdessen spa­zieren gehen oder gerne auch zum Shiatsu kommen!

Dezember 2021, weltraum, Foto: Janina Snatzke

Zurück zur Übersicht