Thomas Beyer > Experte für Kommunikation

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HUMOR IST …

… wenn man trotzdem lacht

„Seid Ihr Zwillinge?“ – „Nein, warum fragen Sie?“ – „Weil euch eure Mami genau gleich angezogen hat.“ – „So, das reicht jetzt. Ihren Führerschein und Ihre Fahrzeugpapiere bitte, aber schnell!“ Diesen Witz werden Polizisten wahrscheinlich nicht ganz so lustig finden. Vielleicht nehmen sie ihn aber auch mit Humor. Womit wir beim Thema wären. Ob wir über einen Witz lachen, zeigt sich spätestens bei der Pointe. Haben wir die gleiche Humorstufe wie der Witzeerzähler, dann läuft reflexartig ein Muster ab. Dabei kommen jene Hirnareale ins Spiel, die unsere Erwartungen, unsere Erfahrungen und unser Wissen verarbeiten. Typisch für einen Witz ist ja, dass er uns zunächst auf eine falsche Fährte lockt. Doch dann kommt die Pointe und wirft unsere Erwartungen komplett über den Haufen. Gefällt uns die unerwartete Wendung, wird unser Emotionszentrum im limbischen System aktiv. Wenn jetzt noch die Kontrollregion im Gehirn, die normalerweise Gefühlsausbrüche blockiert, die Emotion „Heiterkeit“ durchwinkt, dann darf gelacht werden. Für Stimmbänder, Zwerchfell und Gesichtsmuskulatur heißt es jetzt: Feuer frei!

Mal Spaß beiseite. Häufig dienen Witze unterschwellig dazu, sich mit einer Gruppe zu solidarisieren und sich gleichzeitig von einer anderen abzugrenzen. Dann sind meistens Klischees im Spiel, getreu dem Motto: Polen klauen, Schotten sind geizig, Ostfriesen und Blondinen ein bisschen doof. Wer über entsprechende Witze lacht, ist natürlich nicht zwangsläufig bösartig. Wenn aber beispiels- weise Ausländer, Schwule und Frauen auf die vermeintlich witzige Tour zu Objekten der Verachtung und Schadenfreude gemacht werden, sollte es endgültig vorbei sein mit dem Spaß.

Kinder lachen häufiger als Erwachsene und Frauen mehr als Männer

Wenn wir lachen, geht es vor allem um Kommunikation, sagt der Psychologe Michael Owren. Es kann Offenheit signalisieren, aber auch Trauer und Unsicherheit ausdrücken. Wie wir lachen, verrät viel über unsere Psyche, unsere Persönlichkeit und unseren sozialen Status. Owen konnte 48 unter- schiedliche Lach-Typen kategorisieren. Besonders ansteckend scheint es zu sein, wenn jemand folgende Lachqualitäten aufweist: laut, stimmhaft, lang anhaltend und mit offenem Mund! Verhaltensforscherin Julia Vettin analysierte, dass in einem Gespräch durchschnittlich sechsmal in zehn Minuten gelacht wird. Dabei wird häufig ein „He-He-He“ genutzt, um die Aussagen seines Gesprächspartners zu bestätigen. Und Linguistin Barbara Mertzinger fand heraus, dass besonders Frauen ihr Lachen ein- setzen, um positive Reaktionen hervorzurufen und um ihre Redebeiträge in verschiedene Abschnitte zu unterteilen.

Bekanntermaßen ist Humor abhängig von kulturellen Einflüssen und dem konkreten Lebensumfeld. Doch selbst in unserem Kulturkreis amüsieren sich nicht alle auf die gleiche Weise. Kinder lachen über andere Dinge als alte Menschen. Jedoch teilen beide Generationen die Vorliebe für rüde Witze, sagt Richard Wiseman. Bei Kindern steht der Fäkalhumor hoch im Kurs, bei älteren Menschen wird es meist erst unter der Gürtellinie wirklich witzig. Ferner machen Menschen jeden Alters Späße über Krisen, Lebensängste und Tabuthemen. Auch, um diese besser zu verarbeiten. Und zwischen den Geschlechtern? Männer neigen dazu, schweres Geschütz aufzufahren, Frauen spaßen häufig subtiler und bevorzugen Wortwitze. Der folgende wird sie wahrscheinlich trotzdem nicht belustigen: Ein Mann zeigt einem Freund das Foto sei- ner neuen Freundin: „Schau mal, ist sie nicht schön?“ Sagt der Freund: „Du hast recht, sie ist nicht schön.“ Frauen können aber auch derbe zurückschlagen. „Frage: Wie bekommt man das Gehirn eines Mannes auf Erbsengröße? Antwort: Einfach aufblasen!“

Lachen kann Spannungen lösen und Konflikte beschwichtigen

Wann geht der Spaß eigentlich richtig los? Das Lachen kommt mit dem Krabbeln, wenn die Kleinen kitzlig werden, sagt Kulturwissenschaftler Rainer Stollmann. Später, wenn die Kinder auch größere humorige Zusammenhänge verstehen – und quasi auch der Verstand gekitzelt wird – gibt es noch mehr Amüsement. Kinder lachen viel häufiger als Erwachsene, weil sie jeden Tag Neues entdecken. Jede Entdeckung überrascht und ist damit so spaßig wie die Pointe eines Witzes. Am Anfang unserer Humorgeschichte steht also das Kitzeln. Der lustige Umgang mit diesem Reflex hat uns in der Evolution tatsächlich weitergebracht. Denn Lachen kann Spannungen auflösen, und genau das war auch im Überlebenskampf hilfreich. Etwa dann, wenn es im Kontakt mit den Artgenossen galt, möglichen Konflikten den Wind aus den Segeln zu nehmen. „Es sicherte schon unseren Urahnen als beschwichtigendes ‚Ich-tu-dir-nichts-du-tust-mir-nichts‘ das Überleben", erklärt Sozioökologe Jaram van Hooff. Mit dieser Haltung sparte man Kräfte und kam weiter, zum Bei- spiel auch bei der Partnerwahl. All das gilt heute noch.

September 2021, weltraum, Grafik: Kerstin Krempel

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