MAKE LOVE NOT WAR

Die meisten Menschen teilen die Sehnsucht nach Frieden. Der aber ist derzeit so stark bedroht wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Dabei haben Menschen schon immer Kriege geführt. Ob aus gekränkter Ehre, dem Gefühl der Bedrohung der eigenen Gruppe, aus religiösen Gründen oder im Kampf um begrenzte Ressourcen. Das war in den frühesten Phasen der menschlichen Geschichte so, zeigte sich in den gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen nomadischen Völkern und sesshaften bäuerlichen Gesellschaften, galt erst recht für die zwei großen Weltkriege und gilt leider bis heute. Woher aber kommt diese – vor allem männliche – Bereitschaft zur Gewalt?

Ein gewisses Maß an Aggression scheint durchaus sinnvoll zu sein. Es dient dem Selbstschutz und hilft, eigene Bedürfnisse gewaltlos durchzusetzen und sich abzugrenzen. Menschen, deren Aggressionspotenzial zu stark ausgeprägt ist, sind gewaltbereiter. Die Psychologin Ute Habe hat untersucht, was genau im Gehirn passiert, wenn Menschen aggressiv werden. Sie hat zwei Brandbeschleuniger ausgemacht. „Aggression lässt sich sowohl durch Frustration als auch durch Provokation auslösen“, sagte sie. Das sind die Grundpfeiler für die große Wut im Bauch. Allerdings kann der Grad an Frustration und Provokation enorm weit auseinanderklaffen. Wann das Fass überläuft, liegt beim Aggressor.

Was aber läuft sonst noch falsch bei Staatsmännern und Führern, die kriegerische Handlungen veranlassen oder am Laufen halten? Der Ursprung von Krieg und die Quelle zerstörerischer Gewalt ist laut Konfliktforschung immer ein Machtmissbrauch. Wo es keine Kontrolle der Gewalt gibt, können insbesondere autoritäre Regime ihren vermeintlichen Feinden den Krieg erklären. Im Inneren wie im Äußeren. Solch ein Machtmissbrauch spiegelt sich in vielen Bereichen wider: als ungelöster Konflikt zwischen ethnischen oder religiösen Gruppen, im Raubbau an der Natur, in der Klimakrise, in der extremen Ungleichheit zwischen Arm und Reich. Deshalb sind wir alle aufgerufen, Bedingungen zu schaffen, die Machtmissbrauch und damit gewalttätige Übergriffe unwahrscheinlicher machen. „Frieden beginnt oder endet bei ganz normalen Menschen in der Gesellschaft“, sagt Friedens- und Konfliktforscher Tilman Brück. Die Friedensforschung setzt dabei auf mehr Kooperation zwischen den Menschen und Staaten. Aber ist eine neue, bessere Qualität internationaler Zusammenarbeit nicht reines Wunschdenken – angesichts des russischen An- griffskrieges gegen die Ukraine und der Spannungen mit China? Darauf hat der Direktor des Friedensforschungsinstitutes SIPRI eine klare Antwort: „Wenn man annimmt, dass etwas unmöglich ist, wird es auch unmöglich.“ Wir brauchen also für die dringend notwendigen praktischen Taten vor allem Zukunftsmut. Und Hoffnung. Sie ist unser Lebenselixier, sagt der Philosoph Ernst Bloch. Die Hoffnung hilft uns, über die beschränkten Verhältnisse unserer Wirklichkeit hinauszugehen. Jedes Nein kann von einem Ja besiegt werden. Es liegt an uns.


So geht Frieden

Friedliche Konfliktlösungen verfolgen drei Ziele: die Verhinderung und die Beendigung von Gewalt sowie die Entwicklung hin zu einer gerechteren Gesellschaft. Wie schwer gewaltfreie Lösungen zu erreichen sind, zeigt sich derzeit besonders im Krieg in der Ukraine. „Wir befinden uns in einer planetarischen Notlage", warnt das Friedensforschungsinstitut SIPRI in seinem aktuellen Bericht und weist auf die großen Zusammenhänge hin: den Anstieg von Toten in Konflikten, sich zuspitzende Umwelt- und Wirtschaftskrisen, gefährdete Sicherheitslagen, extreme Rüstungsausgaben, Erntekatastrophen, hungernde Menschen, weltweite Flüchtlingsbewegungen, die Pandemie. Die Experten empfehlen, bei kriegerischen Auseinandersetzungen viel intensiver auf Deeskalation zu setzen und durch diplomatische Verhandlungen eine friedliche Konfliktlösung auf Augenhöhe anzustreben. Der Schutz der Zivilbevölkerung muss in den Vordergrund rücken, friedlich gesinnte Akteure vor Ort sollten unterstützt werden. Sanktionen müssen immer mit klaren Zielen verbunden sein und Exit-Strategien mitgedacht werden. Und bei allen Entscheidungsprozessen – von den Vereinten Nationen bis hin zu kommunalen Projekten – sollten die am meisten betroffenen Menschen miteinbezogen werden. Darüber hinaus sind sich die meisten Friedensforscher einig: Unsere Weltgemeinschaft braucht eine starke gemeinsame Basis. Dabei bildet die Einhaltung der Menschenrechte die wichtigste Grundlage. Der Begriff der Weltfamilie darf keine Floskel sein, sagt Konfliktforscher Tilman Brück. Wir müssen begreifen, wie alles mit allem zusammenhängt. Nur wenn wir nachhaltig denken, Abhängigkeiten reduzieren und freundlich gesinnte Kooperationen eingehen, könnte unsere Erde freier und friedlicher werden. Dafür müssen wir bessere Lebensbedingungen für Menschen schaffen, aber auch mit Ressourcen und der Umwelt nachhaltig umgehen. Das bringt die gesamte Menschheit weiter und macht Frieden wahrscheinlicher.

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Krieg oder Liebe?

Lysistrata ist eine Komödie des griechischen Dichters Aristophanes. Sie wurde 411 v.Chr., im 20. Jahr des Peloponnesischen Krieges, aufgeführt. Um den Frieden zu erzwingen, verschwören sich die Frauen Athens und Spartas gegen die Männer. Schließlich führt der Liebesentzug tatsächlich zum Frieden.

Peace!

1958 entwickelte der Designer Gerald Holtom für die „CND“, die Campaign for Nuc- lear Disarmament (Kampagnezur Nuklearen Abrüstung) das Peace-Symbol für Menschlichkeit und Versöhnung. Holtom griff dabei ausgerechnet auf eine vor allem militärisch genutzte Zeichensprache (Winkeralphabet) zurück. Das Zeichen symbolisiert die Buchstaben „N“ und „D“.

Weihnachtsfrieden

An der Front bei Ypern (Belgien) wurde im Ersten Weltkrieg besonders erbittert gekämpft. Doch Weihnachten 1914 verbrüderten sich spontan die Soldaten aus Deutschland, Frankreich und England. Nur wenige Wochen später kamen dort, wo sie gefeiert hatten, Tausende Männer durch einen Giftgaseinsatz ums Leben

Imagine von John Lennon

bleibt einer der größten Friedenssongs aller Zeiten. Der Ex-Beatle wurde am 8. Dezember 1980 in New York von einem verwirrten Fan erschossen. Zu Ehren seines 80. Geburtstages leuchtete am 9. Oktober 2020 die Spitze des Empire State Buildings blau, und ein Friedenszeichen erstrahlte.

Dezember 2022, weltraum, Photo by Jonathan Meyer on Unsplash

Noch mehr Frieden? Hier geht es zum Interview mit Industrieseelsorger Dirk Wagner über friedvolles Miteinander.

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