Thomas Beyer > Experte für Kommunikation

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LIEBLINGSMENSCHEN

Goethe und Schiller, Ernie und Bert, Thelma und Louise, Che Guevara und Fidel Castro, Barbra Streisand und Lady Gaga. Ihr gemeinsames Merkmal: ziemlich beste Freunde. Gut, wenn man welche hat! Denn Freundschaften machen unseren Alltag bunter und das Leben schöner. „Freundschaften haben eine wichtige Funktion in der Lebensbewältigung“, sagt der Psychologe Jaap Denissen. „Das ist sicher auch der Grund dafür, warum wir dieses Modell im Verlauf der Evolution herausgebildet haben. Über die Familie oder Sippe hinaus Koalitionen zu schmieden und Informationsnetzwerke zu bilden, verschafft uns enorme Vorteile.“ Wer gute soziale Beziehungen hat, fühlt sich reicher, ist zufriedener und gesünder. Positive Beziehungen stärken das Immunsystem, verbessern sogar die Wundheilung und senken das Risiko von Herz-Kreislauf- Erkrankungen und Depressionen. Wissenschaftler vermuten, dass die Unterstützung der Freunde die Wirkung von akutem Stress und dauerhaften Belastungen dämpft. Außerdem achten Menschen mehr auf ihre Gesundheit, wenn sie enge Bindungen haben.

Manchmal lässt sich das Geheimnis einer Freundschaft nicht so richtig greifen. Soziologin Julia Hahmann: „Viele sagen, sie legen viel Wert auf Vertrauen und regelmäßigen Kontakt, wenn man aber hinter die Kulissen schaut, sind es oft auch ganz andere Werte und Kriterien.“ Offensichtlich ist in einer Freundschaft alles möglich. Mit jedem Freund, jeder Freundin etwas anderes. Ein überraschendes Kriterium für die Wahl des „besten Freundes“ ergab eine amerikanische Studie. Studenten sollten ein Jahr lang ihre gleichgeschlechtlichen Freundschaften bewerten. Dabei ging es um Nähe, Unterstützung und die Häufigkeit der Kontakte. Wer vier Jahre später als bester Freund bezeichnet wurde, hing aber von einem anderen Faktor ab: dem Gefühl, in seiner Identität anerkannt und bestätigt zu werden.

Ratschläge können nerven

Wenn ein befreundeter Mensch ein Problem hat, sollten wir dann nicht mit gut gemeinten Ratschlägen weiterhelfen? Vorsicht! Nicht immer ist es zielführend, seinen Senf dazuzugeben. Zumal wir alle unsere Expertenfähigkeiten (laut einer Studie der Arizona State) gnadenlos überschätzen. Männer übrigens noch stärker als Frauen. Stecken wir sachlich wie emotional wirklich tief genug im Thema, können wir die nötige Distanz aufbauen? Oder treten wir nicht deshalb als Ratgeber auf, weil wir uns selbst damit besser fühlen? Natürlich unbewusst. „In einer Freundschaft erwarten wir zunächst einmal, dass der andere uns versteht, dass er quasi auf unseren Spuren wandelt, uns Anerkennung gibt und den Weg, den wir beschreiten, bestätigt“, sagt unser Interviewexperte Wolfgang Krüger. Es ist die Anwesenheit als Freund, die den anderen stärkt. Wir wollen im Normalfall nicht jemanden haben, der uns den richtigen Weg weist.“ Und Psychologin Gabi Manneck meint, dass unser Hang zu Ratschlägen mit einer gewissen Ohnmacht zusammenhängen könnte – und wir dieses Gefühl verdrängen wollen. Möglicherweise hat das Problem mit unseren eigenen Unzulänglichkeiten zu tun? Besser als ein Ratschlag ist vor allem unser Mitgefühl. Darüber hinaus könnten wir der befreundeten Person Fragen zum Problem und ihrer Motivation stellen oder ein paar hilfreiche Informationen beisteuern. Grundsätzlich sollten wir das aufmerksame Zuhören in den Mittelpunkt stellen und uns mit Meinungen und Bewertungen etwas zurückhalten. Einfach mal ausprobieren!

Erkenntnisse zum Thema

Freunde finden

Je älter man wird, desto schwieriger ist es, Freunde zu finden. Suchen Sie deshalb Orte auf, um mit Leuten ins Gespräch zu kommen (Volkshochschulkurse, geführte Wanderungen, Lesekreise, Museen, Sportvereine, Ehrenamt, spezielle Facebook-Gruppen), besuchen Sie dieselben Orte regelmäßig (z. B. ein bestimmtes Café) oder frischen Sie ältere Kontakte auf. Hilfreich können auch digitale Tools sein. Apps: UNBLND, Meetup, We3, Patook, Vingle, Spontacts. Oder Onlineplattformen für Ältere: lebensfreude.de, 50plus-treff.de/freunde-finden.

Überheblich

Sprachen Philosophen zu ihrer Zeit von Freunden, ging es häufig nur um Männer. So hieß es noch 1884 bei Friedrich Nietzsche: „Noch ist das Weib nicht der Freundschaft fähig.“

Reiner Zufall

Auf die Nähe kommt es an. Das belegt eine Studie der Uni Mainz: Personen, die zufällig im Hörsaal nebeneinandersaßen, waren ein Jahr später stärker miteinander befreundet als andere Kommilitonen. Demnach bewerten Menschen andere spontan positiv, wenn sie sich in unmittelbarer Nähe befinden.

Poesiealben und Freundschaftsbücher

Wahrscheinlich zählten auch sie zu den Vorgängern der sozialen Netzwerke: Dort fanden sich Sprüche wie diese: „In allen vier Ecken soll Freundschaft drinstecken“. „Mit Pulver und Pistolen soll dich der Teufel holen, wenn du je vergisst, wer deine beste Freundin ist“.

Dreimal Freundschaft

Aristoteles definierte drei Arten der Freundschaft. Die Freundschaft des Nutzens, der Lust und der Vollkommenheit. Diese ist selbstlos und entsteht aufgrund von Respekt und Wertschätzung.

Weniger ist mehr

Eine Freundschaft zeichnet sich dadurch aus, dass beide die Qualität ihrer Freundschaft ähnlich hoch einschätzen. Ein israelische-amerikanisches Forscherteam eine Art „Freundschaftsmaschine“ entwickelt, die mit Hilfe eines Algorithmus die Gegenseitigkeit unserer sozialen Beziehungen bewertet. Das Ergebnis: Nur die Hälfte der Freunde, die wir als Seelenverwandte betrachten, empfinden dasselbe für uns. Demnach hätten wir im Schnitt nur halb so viele Freude, wie wir eigentlich annehmen. Gedankenwelt.de

Juni 2022: weltraum, Foto: Taylor Smith on Unsplash

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